Hugo Kükelhaus

Kükelhaus, Hugo

Philosoph, Künstler, Pädagoge.

*24.03.1900, Essen (Deutschland)

✟05.10.1984, Herrischried (Deutschland)

Hugo Kükelhaus ist Erfinder des „Erfahrungsfeld zur Entfaltung der Sinne‟ und gilt als Wegbereiter für Kleinstkindspielzeug, das den von der Entwicklungspsychologie und der Pädagogik gestellten Anforderungen standhält.

Er wächst in enger Verbindung zum Handwerk auf. Sein Vater ist mittelständischer Wirtschaftspolitiker und entwickelt die Kalkulationsbasis für das deutsche Handwerk aller Kategorien. Er ist im Gedankenaustausch mit Walter Rathenau an der Organisation der beruflichen Selbstverwaltungskörper des deutschen Handwerks beteiligt.

1919 legt Hugo Kükelhaus das humanistische Abitur in Essen ab, macht eine Tischlerlehre in Bielefeld und wandert als Geselle durch Deutschland, Skandinavien und das Baltikum. Seit 1925 ist er Meister des Schreinerhandwerks und studiert in den folgenden Jahren in Heidelberg, Münster und Königsberg Soziologie, Philosophie, Mathematik/Logik und Physiologie.

Die enge Verknüpfung von Praxis und Theorie zieht sich durch das gesamte Lebenswerk von Kükelhaus. 1932 erscheint sein erstes Buch „Das Gesetz des Ebenmaßes‟, in dem er darlegt, wie Möbel mithilfe des Goldenen Schnitts und daraus entwickelter „Kanonfiguren‟ menschengemäß gebaut werden können. 1934 veröffentlicht er sein großes Werk „Urzahl und Gebärde‟, eine Untersuchung über die Zahlen als psychologische und physiologische Grundlage des Daseins, das große Aufmerksamkeit findet. Zahlreiche andere Veröffentlichungen sollen folgen. Dabei bleibt Kükelhaus dem Handwerk auf vielfältige Weise verbunden: 1931 übernimmt er nach dem Tod des Vaters die Schriftleitung der Fachzeitschrift „Das Tischlergewerk‟ und betreut sie mit Unterbrechungen bis 1956. Ab 1934 ist Kükelhaus als Mitarbeiter des Alfred-Metzner-Verlags in Berlin Herausgeber der Reihen „Schriften zur Deutschen Handwerkskunst‟ (1935f.) und „Deutsche Warenkunde‟ (1939f.), einem Informationsdienst über vorbildlich gestaltete handwerkliche und industrielle Gebrauchsgüter. Er organisiert Ausstellungen, hält Vorträge und führt Schulungen durch. Gleichzeitig ist er freiberuflich tätig als Schriftsteller und Gestalter. Aus der Auseinandersetzung mit den Fröbel´schen Spielgaben und im Dialog mit der Fröbel-Forscherin Erika Hoffmann entstehen ab 1939 die „Allbedeut‟-Spielzeuge, Greiflinge für Kleinstkinder, deren Bedeutung erst später vor allem durch die Entwicklungspsychologie Jean Piagets untermauert wird und für deren Gestaltung Kükelhaus schließlich 1971 den Bundespreis „Gute Form‟ erhält.

1950 nimmt Kükelhaus eine Lehrtätigkeit an der Werkschule in Münster auf, ab 1954 ist er ausschließlich freiberuflich tätig: als Möbeldesigner, als Illustrator, Glaskünstler und Bildhauer, als Mitarbeiter bei der Gestaltung und innenarchitektonischen Ausstattung von sakralen und weltlichen Bauwerken. Er lässt sich in der mittelalterlichen Stadt Soest nieder.

Seit ca. 1960 intensiviert Kükelhaus seine Studien und experimentell durchgeführten Untersuchungen über die Sinnesprozesse. Er beobachtet sorgfältig und stellt fest, dass der Mensch der modernen technischen Zivilisation sich selbst zunehmend seiner grundlegenden sinnlichen Entwicklungs- und Erfahrungsmöglichkeiten beraubt. Er kritisiert die sich immer lebensfeindlicher gebärdenden Tendenzen in der modernen Architektur der 70er-Jahre und entwickelt Grundlinien eines „organlogischen‟ Bauens. Er arbeitet daran, für alle Lebensbereiche das Umfeld so zu planen und zu entwickeln, dass es den „Funktionsbedingungen des menschlichen Organismus‟ entspreche. Diese Auseinandersetzung mündet in die viel beachtete Publikation „Unmenschliche Architektur‟ (1973) und in Beratung und künstlerische Mitarbeit im Sinne einer organgesetzlichen Architektur, u.a. beim Bau von Schulen, Kindergärten und Industriebetrieben.

Durch dieses Engagement und durch seine intensive Auseinandersetzung mit Goethe verwundert es nicht, dass die Rezeption des Kükelhaus’schen Werkes gerade in anthroposophischen Kreisen stark verbreitet ist. Er versteht sich selbst nicht als Anthroposoph, schätzt aber vor allem die Waldorfpädagogik und die anthroposophische Medizin, er korrespondiert und kooperiert zeitweise mit entsprechenden Einrichtungen. In seiner umfassenden Bibliothek gibt es eine kleine, von ihm selbst geordnete und beschriftete Sparte „Anthroposophie‟.

International bekannt geworden ist Kükelhaus durch sein Versuchsfeld zur Organerfahrung, dessen erste Spiel- und Erfahrungsgeräte, das „Naturkundliche Spielwerk‟, er zuerst 1967 zur Weltausstellung in Montreal im Deutschen Pavillon zeigt. Seit Mitte der 70er-Jahre wandert das inzwischen ca. 40 Experimentier- und Spielstationen umfassende „Erfahrungsfeld zur Entfaltung der Sinne‟ zu zahlreichen Orten im In- und Ausland. Diese Stationen bieten den Besuchern die Möglichkeit, die universalen Gesetzlichkeiten ihrer körperlichen Existenz vegetativ unmittelbar wahrzunehmen, indem sie die Gesetzlichkeit der „äußeren Natur‟ (Schwingung, Schwerkraft, Polarität, Reflexion usw.) am eigenen Leibe erfahren. Im Umgang mit den Geräten beleben sich die häufig verkümmerten Fähigkeiten des Menschen zur Sinneswahrnehmung neu.

Mit zahlreichen Büchern und Aufsätzen, mit unermüdlichen Vorträgen und Beratungen begeistert Kükelhaus bis ins hohe Alter aufgeschlossene Menschen unterschiedlichster Lebens- und Berufsorientierung. Am 5. Oktober 1984 stirbt er in Herrischried.

Carola Stenner

Quellen Erwähnungen

N 2008 Nr. 18, S. 4
Werke: Das Gesetz des Ebenmaßes, 1931; Urzahl und Gebärde. Grundzüge eines kommenden Maßbewußtseins, Berlin 1934, Zug 5 1992; mit Balkenhol, G.: Werde Tischler, Berlin 1936, Zug ²1994; Bildgeschichten vom Träumling, Kassel, Basel 1950, Soest ³2000; Das Wort des Johannes, Berlin, Frankfurt/M. 1953; Dennoch heute, Heidenheim 1956, Zürich ³1994; Über den Umgang mit der Macht, Köln 1970; Bokold und die Laute, Köln 1971; Unmenschliche Architektur, Köln 1973, 6 1988; Spiel der Kinder. Organisches Gestalten der Umwelt, Stuttgart 1974, Frauenfeld ²2000; Fassen. Fühlen. Bilden. Organerfahrungen im Umgang mit den Phänomenen, Köln 1975, 6 1995; Organ und Bewußtsein, Köln 1977, ³1987; Hören und Sehen in Tätigkeit, Zug 1978, ²2000; Organismus und Technik, Frankfurt/M. 1979, ³1993; Du kannst an keiner Stelle mit eins beginnen. Notizen aus dem 2. Weltkrieg, Zürich 1981; mit zur Lippe, R.: Entfaltung der Sinne. Ein „Erfahrungsfeld‟ zur Bewegung und Besinnung, Frankfurt/M. 1982, 12. Auflage 1996; Bauen für die Sinne, Frauenfeld 2000.
Literatur: Joeressen, U. u.a.: Hugo Kükelhaus Bibliographie, Soest 1990, ²1996; Schenkel, E.: Sinn und Sinne. Drei Versuche zu Hugo Kükelhaus, Stuttgart 1991, ³1996; Dederich, M.: Erleben - Erfahren - Begreifen, Hugo Kükelhaus als Wegbereiter der modernen Erlebnispädagogik, Lüneburg 1994; Münch, J.: Hugo Kükelhaus und das Spielzeug Allbedeut, Soest 1995; Dederich, M.: In den Ordnungen des Leibes. Zur Anthropologie und Pädagogik von Hugo Kükelhaus, Münster 1996; Barth, A. [Hrsg.]: Hugo Kükelhaus, Erlangen ²1997; Jäger, W.: „Das da draußen sind wir ...‟. Bausteine einer Pädagogik der Wahrnehmung, Dortmund 1997; Münch, J. [Hrsg.]: Hugo Kükelhaus in der Architektur: Bauen für die Sinne. Spurensuche und Perspektive, Soest 1998; Dederich, M.: Hugo Kükelhaus, in: Buchka, M., Grimm, R., Klein, F. [Hrsg.]: Lebensbilder bedeutender Heilpädagoginnen und Heilpädagogen im 20. Jahrhundert, München 2000; Schärli, O.: Begegnungen mit Hugo Kükelhaus, Stuttgart 2001; Raz, B.: Botschafter der Sinnesschulung. Otto Schärli und Hugo Kükelhaus, in: G 2002, Nr. 11; www.hugo-kuekelhaus.de.
Abkürzungen: siehe hier
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